Gestern hat in Zürich die TED–Satellitenkonferenz TEDxZurich stattgefunden, ich habe die Ehre gehabt, als einer von ca. 200 Teilnehmern dabeizusein und einige inspirierende Vorträge zu hören. Ich habe (ausser dem Telefon und der Kamera) bewusst jede Konnektivität zuhause gelassen, um nicht in die Versuchung zu kommen, während den Vorträgen live irgendwelchen Brimborium abzusondern, stattdessen wollte ich mich möglichst ganz auf die Vorträge konzentrieren [1]. Wie Kusito nämlich korrekt bemerkte, gab es schon zuviele, die ihre Multitasking-fähigkeiten etwas gar stark ausreizten:
warum kommen leute ans tedxzurich und starren ununterbrochen auf ihren compi, phone oder aufs ipad? they would better stay home! #tedxzh
— Markus Maurer (@kusito) October 20, 2010
Stattdessen habe ich während den Vorträgen Gedanken in meinem Moleskine-Notizbuch festgehalten. Die Notizen sind – als Quasi-Liveblogging – unten als Galerie eingebunden, oder können in einem Rutsch als TEDxZurich-RückblicksPDF heruntergeladen werden.
Hier im speziellen noch ein paar Gedanken zu den einzelnen Vorträgen und Vortragenden, teilweise auch mit etwas harscher Kritik. Dies sind aber meine Gedanken, die jetzt etwas mehr als 24 Stunden reifen konnten.
Edgar Flaisch zeigte zwei interessante und angewandte Beispiele, wie mit benutzerangepasster IT eine Verhaltensänderung der Nutzer erreicht werden kann, was am Beispiel von Velix zu einer Energieersparnis von 3.6% geführt hat. Tönt nach wenig, aber macht zusätzlich für die Benutzer noch Spass. Eine einfache Möglichkeit, eine echte Win-Win-Situation zu erzeugen. Jef Koh begann seinen Vortrag mit der Aussage: “Our research might seem silly”, hat aber vielleicht die Zukunft des Interface-Designs vorgestellt. Am Mixed Reality Lab forscht er als Doktorand an flüssigen (ja, wirklich flüssigen) Eingabegeräten. In einer Pause hatte ich kurz die Gelegenheit mit Jef persönlich zu sprechen und bin inspiriert von den Möglichkeiten, welche die Projekte aus seinem Labor bieten können, auch wenn einige davon auf den ersten Blick etwas doof wirken.
Robin Cornelius war sich nicht zu schade, auf der Bühne den Affen zu machen und hat einen engagierten Vortrag gezeigt, bei Nicola Forster war ich mir nicht sicher, ob er beim erwähnten Coaching der TEDxZurich-Sprecher und -Sprecherinnen mitgemacht hat. Bei James Gruntz habe ich mir aufgeschrieben, dass der Modetrend der Saison für die Herren wohl “Halstuch” lauten muss und David Bauer ist seit der 78s-Geschichte bei mir sowieso untendurch. Karen Tse berichtete in einem ebenso emotionalen wie emotional berührenden Vortrag über die Folter im asiatischen Raum. Dieser Vortrag zeigte mir mal wieder was für eine unsägliche Grännerei westliche Fuck My Life-Stories sind. Seid glücklich nur solche Probleme zu haben! Sehr berührend war dann auch das anschliessende Geburtstagsgeschenk an Karen Tse, ein Geburtstagsständchen aller Teilnehmenden unter der videographischen Anleitung von Benjamin Zander, der unter anderem auch noch erzählte, wie mensch auf Herausforderungen reagieren kann: mit Resignation, mit Angst oder der Aussicht auf eine neue Möglichkeit. Guess what to choose? Auch wenn sich nicht dabeigewesene kaum vorstellen können (siehe Kommentare), dass das sehr bewegend war, stimme ich Thomas Nagy zu. mind. blown!
mind. blown. #happybirthday #tedxzh
— ThomNagy (@ThomNagy) October 20, 2010
Corsin Gwerder und Lukas Limacher stellten ihren instabilen stabilen Roboter Rezero vor, der für ein Master-Projekt perfekt funktioniert, Heike Bruch hatte eine zu grosse Portion Management-Theorie in ihrem Organisations-Energie-Vortrag, der mich völlig uninspiriert zurückliess. Abt Martin Werlen erzählte aus seinem Autostöppler-Leben [2] und inspirierte uns dazu, auch mal denjenigen zuzuhören, von welchen wir eigentlich nichts erwarten. Eine spannende Erscheinung, dieser Herr Werlen, bei Ihm merkte ich, dass er es gewohnt ist, vor Menschen hinzustehen und Geschichten zu erzählen. Ahnlich unispiriert wie der Vortrag über Organisations-Energie liess mich der Vortrag von Reto Ringger zurück, der erzählte, wie er eine nachhaltige Bank aufgebaut hat. Zuviele Plots um wirklich inspirierend zu sein, obwohl in der Thematik auch für mich als Bank-Agnostiker einiges möglich gewesen wäre. Bruno Giussani erzählte über die Hintergründe von TED und gab hoffentlich den anwesenden Organisatoren der TEDxBern genug Anschub um richtig durchzustarten. Wenn im Slum eine TEDx-Konferenz möglich ist, kann auch in Bern etwas (kleineres als in Zürich) organisiert werden!
Marco Tempest wurde als High-Tech-Zauberer angekündigt und hat nicht enttäuscht. Seine unglaublich nonchalante Art Magie und Computer-Technik zu verbinden hat jeden und jede im Publikum gepackt. Er hat erwähnt, mit Opensource-Software zu arbeiten, etwas was aus Zauberermund wohl nicht jeden Tag zu hören ist. Cool! Die Soziologin Margrit Hugentobler hat die Aggloase in der Umgebung von Zürich vorgestellt und spannende Ansätze zur Stadtentwicklung präsentiert. Gian Klainguti stellte Birom vor, ein Spiel vor Urzeiten von seinem Onkel konzipiert. Aus dem Vortrag war nachvollziehbar, dass das ein spannendes Spiel sein muss. Beim anschliessenden Apero gab es dann die Gelegenheit, das Spiel selber anzuspielen, was lachende Gesichter und spannende Spielminuten auslöste. So wie unten am Foto aus dem flickr-stream von TEDxZurich zu sehen ist (und dies war nicht nur bei mir der Fall). Ich hoffe, das Spiel wird bald offiziell auf den Markt kommen. Kaufen werde ich es auf jeden Fall.
Rachel Armstrong hat ihren TED-Vortrag über selbstreparierende Architektur wiederholt, bei dem ich mir nicht ganz sicher war, ob der Vortrag auf Forschungs-Details beruht, oder eher Rückhalt in einer Ihrer ScienceFiction-Geschichten findet. Schöne Bilder waren’s auf jeden Fall.
Mindestens ebenso spannend und anregend waren auch die Gespräche und der Gedankenaustausch in den Pausen, während dem Mittagessen und am abschliessenden Apero. Auch wenn ich den gestrigen Tag am Institut als Arbeitstag verkauft habe konnte ich – wie erwartet – fachlich nichts von der TEDxZurich nach Hause nehmen, menschlich und gedanklich dafür aber umso mehr. Ein inspirierender Tag, genau nach Vorgaben der Mutterorganisation TED.
[1]: Einmal konnte ich mir einen Kommentar aber doch nicht verkneifen. Management-Bullshit ist nicht inspirierend!
[2]: Macht das nur er im speziellen oder ist das ein Benediktiner-Mönchs-Ding? Interessant ist’s auf jeden Fall
update: die aufgenommenen Talks der TEDxZurich sind jetzt auf youtube verfügbar.
danke für den bericht, moleskin-liveblog ftw
gern geschehen.
Drei weitere Highlights des TEDxZurich. Ich habe Habi endlich mal persönlich getroffen. Ohne Tiefgang. Trotzdem hocherfreut. Rest wird sich hoffentlich mal ergeben. Mit mehr Tiefgang und trotzdem zu kurz @bratwurstkomet, sowie eine mysteriöse Schonheit mit sehr viel Tiefgang, aber ohne Namen. Also hat sich die TEDx gelohnt.
@ralph: auch dir danke für die blumen, dass ich eines deiner highlights in tsüri war. ja, hoffentlich ergibt sich das nächste mal ein längeres gespräch. RE: schönheit: meinst du diese hier? http://www.flickr.com/photos/tedxzurich/5101540027/ mit der habe ich das birom-spiel gespielt, abgesehen von “ich arbeite im HR” war nichts herauszufinden :)